Serie: Ingo

  

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Ingo und der Grenzwächter Wolf

Geschlagen war die große Alemannenschlacht, brennend und mordend zogen die siegreichen Scharen Cäsars durch Deutschlands Gauen bis in den Schwarzwald und an die Mainufer. Auf der Bergeshöhe, die  Wälder der Katten von denen der Thüringe schied, schritt ein einzelner Wanderer, dessen Aussehen von vielen Entbehrungen und überstandenen Gefahren zeugte. Es war Ingo, Ingberts Sohn vom Vandalenland  gebracht, war er einsam im Walde aufgewachsen und hatte sich , als die Römer Deutschlands Grenzen bedrohten, mit  wenig Getreuen dem Alemannenkönig Athanerich angeschlossen und Schulter an Schulter mit ihm in der großen Alemannenschlacht gefochten. Versprengt von seinen Kampfgenossen irrte er durch die Wälder, um den Spähern Cäsars zu entgehen. Jetzt begehrte er die Gastfreundschaft der Thüringe, und der junge Grenzwächter, bot ihm mit Handschlag Frieden, bis seine Genossen ihm das öffneten.

Ingo wird von dem Sänger Volkmar wiedererkannt

Herr Answald, der Häuptling des Waldlandes, bot ihm gern einen Platz an seinem Herdfeuer, und bald gab sich ihm Ingo zu erkennen, hatten sich doch ihre Väter durch Blutsfreundschaft verbunden. Schwer wurde es Herrn Answald, die Ankunft seines edlen Gastes verbergen zu müssen und ihm nicht die gebührenden Ehren erweisen zu können, doch fügte er sich, Ingos Sicherheit wegen. Allein bald ward es offenkundig unter den Waldleuten, welchen Gast sie beherbergten, denn bei einem Festmahl, das der Häuptling seien Freien gab, sang Volkmar, der Spielmann, von der großen Alemannenschlacht und von der Kühnheit der Vandalen und ihres Führers Ingo, der den Römern ihr Siegeszeichen, den Drachenzauber, geraubt hatte. Unheil ahnend, suchten Cäsars Söldlinge nach dem Flüchtigen, da sie glaubten, ohne das Zeichen ferner nicht siegen zu können. Bald erkannte auch der Sänger Ingo und unter Heilrufen der Thüringe wurde der wackere Held zu dem ihm gebührenden Ehren sitz geführt. Die Waldleute boten dem Fahrenden auch für ferner die Gastfreundschaft an, hießen ihn sich ansiedeln und gaben ihm den Grenzwächter Wolf zum Kämmerer.

Ingo besiegt Theodulf im Zweikampf

So lebte denn Ingo friedlich unter den Waldleuten, immer nach seinen versprengten Kampfgenossen forschend. Nur einen Hasser hatte er am Hofe Answalds in Theodulf, dem Neffen der Hausfrau, der von dieser zum Tochtermann bestimmt war. Diesen hatte Ingo im Kampfspiel beim Sechspferdesprung, dem sogenannten Königssprung, besiegt, und argwöhnisch blickte Jener auch auf Irmgard, schien es doch, als ob diese den länderlosen Vandalenkönig freundlicher betrachtete, als jeden anderen. Jauchzend hatten eines Tages Ingos Kampfgenossen ihren Führer in den Waldlauben wiedergefunden, und bald hallte der Forst von dem Hifthorn waidgemuter Thüringe und Vandalen wieder. Hierbei kam es einst wegen einer Jagdbeute zu einem heftigen Wortwechsel zwischen Ingo und Theodulf, und dieser beleidigte den Gast seines Oheims so, daß nur der Zweikampf die Ehre Ingos wieder herstellen konnte. Schon am nächsten Morgen standen sich die beiden Gegner vor Sonnenaufgang im Notkampf gegenüber, aus dem Theodulf schwer verletzt weggetragen wurde.

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Ingo und Hermines Sohn in der Frauenkemenate

Natürlich konnte Ingo mit seinen Schwertgenossen nicht länger am Hofe Answalds weilen und so folgten sie denn der Einladung Visinos, des Königs der Thüringe. Da aber Ingo von diesem Verrat fürchtete, gab er den Drachenzauber, den er den Römern in der Alemannenschlacht geraubt hatte, Irmgard, der Haustocher, die sich ihm, dem rechtlosen Fremdling anverlobt hatte. Bald nach der Ankunft auf der Königsburg Visinos überzeugte Ingo das Erscheinen eines römischen Sendlings von der Richtigkeit seiner Befürchtungen. Kurz darauf wurde er denn auch durch geheimnisvolle Bestellung in den Turm der Königin Gisela, einer Jugendgespielin, gelockt, wo ihm bald König Visino mit dem Schwert in der Hand entgegen trat. Dieser fürchtete den Zorn der Römer, wenn er seinen Gast nicht auslieferte, zu sehr und wollte ihn lieber selbst töten, als den Römern zu Gefallen sein. Ingo, der in die Frauenkemenate waffenlos gegangen war, sprang schnell zurück, riß den Sohn Visinos aus dem Bett und erzwang für sich und seine Begleiter freien Abzug aus der Burg, den Knaben als Geisel behaltend.

Irmgard, Ingos Gemahlin, und Königin Gisela

Wiederum, als die Reiser der Bäume vom Safte schwollen und das junge Laub aus den Knospen brach, regte sich in den jüngeren Waldleuten der Thüringe die alte germanische Wanderlust, und da ihr Land zu klein geworden war, wanderte ein Teil aus nach dem Idistal. Den landlosen Vandalenkönig riefen sie zu ihrem Häuptling aus, und dieser holte sich bei Nacht und Nebel Schön-Irmgard, die Erbtochter des Herrn Answald, die seiner in Treue geharrt hatte. Ein friedliches, glückliches Jahr verlebten die Ansiedler im Idistat, doch bald kam es zu Grenzstreitigkeiten mit den anderen Stämmen. Königin Gisela, die an ihres plötzlich verstorbenen Gemahls Stelle herrschte, zog heran, um dem schon seit ihrer Jugend geliebten Ingo ihre Hand und Krone anzutragen. Vor der Idisburg traf sie ihre Rivalin Irmgard, die ihr Kind in einem hellkräftigen Brunnen badete, Zornig maßen sich beide Frauen mit feindlichen Blicken, schon war erregte Rede und Gegenrede gefallen, als Ingo erschien und die Streitenden trennte.

Ingos Tod

Unwillig wies Ingo das Anerbieten der Königin, sein Weib zu verlassen und ihre Hand und Krone zu nehmen, zurück. Nun, da sie sich verschmäht sah, bot sie ihm Krieg und zog schon am nächsten Morgen mit ihren Thüringen und den verbündeten Burgunden gegen die Ibisburg. Trotz der verzweifelten Gegenwehr fielen die Ansiedler einer nach dem anderen von der Überzahl der Feinde, wenige Vandalen waren nur noch um ihren König beim letzten Ansturm versammelt. Noch einmal stürzte Irmgard aus dem Haus, um sich von ihrem Vater, der unter den Gegnern war, segnen zu lassen, und kehrte in die Arme Ingos zurück, als der tückische Theodulf diesen Augenblick benutzte, dem nichtkämpfenden Vandalenkönig den Speer in die Seite zu rennen. Bald zog ein Gewitter herauf, und ein Blitzstrahl zerstörte den Rest der Burg, in den Irmgard den todwunden Gemahl gelegt hatte, und vereinte auch im Tode das getreue Paar. Ihren Sohn rettete Frieda, die treue Gespielin der Königin, und trotz alles Suchens erhielt Königin Gisela niemals Kunde von dem Sohne Ingos und Irmgards.