Serie: Kleine Kinder bei allen Völkern.

  

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Ein junger Deutscher.

Welch eine Sorge, welch eine Aufregung, wenn so ein kleiner Erdenbürger angekommen ist! Eine ganze Schar von Leuten wird bemüht, um dem hoffnungsvollen Sprößling seine Ankunft auf unserem Planeten zu erleichtern. Es ist nun aber kein Zweifel, daß man, namentlich früher, dabei oft des Guten etwas zuviel getan hat. Bei den Naturvölkern nämlich, wo man bedeutend gleichgültiger gegen solch einen Ankömmling ist, zeigt es sich, daß die Kinder bedeutend gesünder sind und sich viel kräftiger entwickeln als bei uns, wie das früher so üblich war. Eine Freundliche, rundliche spreewälder Amme bekam das kleine Etwas in Obhut, das tief in einem riesigen Steckkissen vergraben lag und die erste zaghafte Umschau in diese Welt hielt.

Hindufrau mit Kind.

Ich glaube wirklich, der kleine Hindu hat es besser, wenn er auf die Welt kommt, als der kleine Deutsche. Der wird nicht in einem Berg von weißen Windeln und Kissen und Decke verpackt, daß man ihn kaum noch sehen kann, sondern der kleine braune Körper wird sofort an Luft und Sonne gewöhnt. Bis zum 6. Lebensjahr bekommt dort das Kind auch nicht ein Stückchen Bekleidung. Uebrigens hat die Hindufrau eine ganz famose Art, ihr Kleines zu tragen. Sie nimmt es nämlich weder auf den Rücken noch auf den Arm, sondern sie setzt es auf die linke Hüfte, und zwar so, daß das eine Beinchen hinten und das andere vorn herüber geht und dort in einer Schlaufe des weißen Gewandes der Mutter steckt. Niemand weiß es dort anders: die linke Hüfte der Mutter ist der Stammplatz aller kleinen Hindukinder.

Mexikaner.

Auch der kleine Mexikaner wird in gar keiner Weise verzärtelt und verzogen. Wenn er nur wenige Wochen alt ist, muß er schon seine Mutter begleiten, wenn sie zur Arbeit geht. Damit nun das Kind die Mutter nun möglichst wenig behindert, trägt es die Mexikanerin auf dem Rücken, also "Huckepack". Man hat dort zu diesem Zweck einen langen, starken Schal, der kreuzweise über die Schultern geschlungen wird und in diesen Schlingen der kleine Wicht fest und sicher drinsitzt. Mit der einen Hand hält die Mutter ihre kleine Last ein bischen fest, die andere hat sie frei. Wenn der kleine Kerl dann größer ist, muß er ohne die Hilfe des Schals rittlings auf dem Rücken der Mutter sitzen. Er lernt also eigentlich eher reiten als laufen.

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Apache-Indianer.

Wenn der kleine Indianer das Licht der Welt erblickt, erhält er vom ersten Augenblick an kein anderes Lager als den harten Boden, oder die Mutter legt ihn in eine Schale einer Schildkröte ohne alle Decken hinein, - das ist dann also eigentlich noch härter als die Erde. Ist er dann aber einwenig größer geworden und kann mit hinaus aufs Feld genommen werden, dann erhält er eine Wiege. Diese Indianerwiege ist die komischste von der ganzen Welt. Man hat da nämlich einen kleinen Baumwollsack, der fein bemalt ist und oben auch einkleines Dach hat. Da wird zuunterst etwas Moos gestopft, dann wird der kleine Mann hinein verpackt und nun wird das ganze an einen Baum gehängt - ganz einfach. Nun schaukelt es im Winde leicht hin und her.

Kirgise.

Von allen Völkern neigen die Bewohner Sibiriens und der russischen Steppe am wenigsten dazu, ihre Kinder zu verziehen. Ein Junge wird, solange er noch ganz klein ist, von der Mutter weggenommen und einer fremden Familie in einem anderen Dorfe zur Erziehung übergeben. Schon wenn er acht Tage alt ist, nimmt ihn der Vater oder ein älterer Bruder auf den Arm, setzt sich mit ihm aufs Pferd und jagt solange mit ihm draußen herum, bis das Kind zu weinen anfängt. Am nächsten Tag wird das wiederholt, und das solange, bis der Knabe imstande ist, auf einem alten, ruhigen Pferd allein zu reiten. Stets werden die Kinder auf größeren Riten mitgenommen, auch im bittersten Winter. Sie sitzen dann vor dem Reiter auf dem Pferd und wenns schnell geht, hält man sie wohl einwenig fest. Sind sie dann erst einmal erwachsen, fühlen sie sich mit ihren kleinen, behenden Steppenpferdchen so verwachsen, daß es ihnen gar nichts ausmacht, ein paar Tage nacheinander nicht vom Gaul herunterzukommen.

Kleiner Eskimo am Kamtschatka.

Man sollte denken, wenn irgendwo auf der Welt kleine Kinder besonders dicht in Windeln und Tüchern eingewickelt werden, dann müßte das bei den Eskimos, die doch 12 Monate im Jahr Winter haben, der Fall sein. Aber ganz und gar nicht! Gerade dort weiß man am besten daß schonungslose Abhärtung der beste Schutz ist. So unglaublich es klingt: dort gräbt man Neugeborene mehrmals am Tag für Augenblicke in den Schnee ein oder taucht sie ins Eiswasser, um sie zu stählen. Kleine Kinder werden bei 28° Kälte nackt umhergetragen! Im übrigen wird der kleine Eskimo in der sog. Grönländerwiege untergebracht. das ist ein Holzkasten, der fest mit Fellen umwickelt ist und zwei Extrafächer für die kleinen Beinchen besitzt. Es ist eigentlich eine Art Schlitten, denn Vater oder Mutter ziehen dieses seltsame Gefährt hinter sich her, wenn sie auf ihren Schneeschuhen über Land fahren.